Uhrmacher | Fünf-Minuten-Uhr
Die Fünf-Minuten-Uhr in der Semperoper in Dresden
Neueste Nachrichten, Dresden am Wochenende
Drei Generationen Uhrmacher
betreuten die Fünf-Minuten-Uhr.
Ludwig Teubner, Ernst und Felix Schmidt
warteten ein Kuriosum unter den Zeitmessern
Im prunkvollen Zuschauerraum der alten Semperoper waren über der Bühnenmitte im Proszenium zwei Zahlenfelder der eingebauten Fünf-Minuten-Uhr angeordnet. Die Uhr zeigte jeweils den Zeitablauf von fünf Minuten an. Im rechten Feld erfolgte der Zahlenwechsel von oben nach unten, im linken Feld bewegten sich die Stundenzahlen von unten nach oben. Durch solch interessantes Zahlenspiel war diese Uhr ein Kuriosum unter ihren Artgenossen, mit dem nur die Semperoper ausgestattet war.
Bereits im ersten von Gottfried Semper 1838-41 errichteten Opernhaus war eine Fünf-Minuten-Uhr eingebaut. Der Chronist berichtet darüber in der Schrift “Saxonia” Jahrgang 1841, Seite 114, u.a., daß diese Uhr vom Hofmechanikus Friedrich Gutkaes erfunden wurde. Durch das erstmalig angewandte Zahlenspiel, das die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich lenkte, gab er seiner Uhr eine besondere Note.
Gutkaes war ein berühmter Dresdner Uhrmacher (1784 bis 1845), von dem noch mehrere meisterhaft gefertigte Uhren im Mathematisch-Physikalischen Salon des Zwingers aufbewahrt sind. Bei der schweren Brandkatastrophe 1869 wurde auch die Fünf-Minuten-Uhr mit vernichtet. Der Schöpfer der zweiten Uhr dieser Art war Hofuhrmacher Ludwig Teubner, mein Großvater. Als ehemaliger Mitarbeiter vom Meister Gutkaes erhielt er den Auftrag, eine neue Fünf-Minuten-Uhr zu schaffen. Die Schaltmechaniken der ersten Uhr in der alten Form wieder angewandt, versah er jedoch seine Uhr mit größeren Zahlenrädern von 160 cm Durchmesser. Dadurch erreichte er ein besseres, leicht ablesbares Zahlenbild. Unter seiner Anleitung und mit seinen Aufzeichnungen wurde das Werk gefertigt und in die neue, vom Sohn Manfred Semper 1878 errichtete Oper eingebaut.
Seine Uhr hat mein Großvater treulich gewartet und stets für genauen Gang und einwandfreies Funktionieren gesorgt, bis er 1907 verstorben ist. Nun erhielt mein Vater, Obermeister Ernst Schmidt, den Auftrag, die Wartung der Uhren im Opernhaus zu übernehmen. Im Jahre 1912 mußte die Fünf-Minuten-Uhr wegen Umbaues der Bühne abmontiert werden. Bei dem Einbau der Uhr wurden eine längst geplante Umsetzung des Antriebwerkes vorgenommen und die Auslösehebel für das Zahlenwerk erneuert. Außerdem wurde ein besser arbeitender Gewichtszug zum Antrieb des Uhrwerkes geschaffen.
Nach dem Tode meines Vaters, 1926, übernahm ich die Wartung der Uhren im Opernhaus. Die vielen alten, noch in Betrieb gehaltenen Einzeluhren ermöglichten keine einheitliche Zeitanzeige. Darum machte ich den Vorschlag, eine Zentral-Uhrenanlage zu bauen. Der Auftrag wurde mir 1928 erteilt. Um auch die Fünf-Minuten-Uhr der Anlage unterzuordnen, habe ich ein elektrisches Schaltaggregat angebaut. Nun wurde die Uhr minütlich gesteuert, führte aber den Zahlenwechsel aller fünf Minuten korrekt aus.
Die Jahrzehnte der Glanzzeit Dresdener Opernkunst hat diese Uhr mit ihren Fünf-Minuten-Intervallen durchmessen, bis 1945 die Stunden der Vernichtung kamen und die Flammen ihrem seltenen Zahlenspiel ein Ende bereiteten. Es waren wohl selten einmal drei Generationen Uhrmacher mit einer Uhr so eng verbunden, wie wir über einhundert Jahre mit der einmaligen Fünf-Minuten-Kunstuhr des Dresdener Opernhauses. Erscheint der Verlust dieser Uhr – gemessen am Gesamtschaden der Semperoper – nur ein geringer zu sein, so wurde doch mit ihr ein bekanntes Wahrzeichen vernichtet.
Text und Bild wurden freundlicherweise von
Volker Kühn (Ur-Ur-Enkel Ludwig Teubners) zur Verfügung gestellt.