Uhrenreparatur – Uhrenreparaturen

Wempe Chronometerwerke Hamburg

Zwischen Tradition, Handel und Fertigung

Von Manfred Lux, veröffentlicht in ‘Alte Uhren
und moderne Zeitmessung, Callwey München 6/90′

Die Geschichte des Chronometers ist vielleicht der wichtigste Baustein in einer Geschichte der Navigation. Bedeutende Wissenschaftler haben sieh mit dem Problem der Längenbestimmung auf See beschäftigt. Viel ist von berühmten Seefahrern und Entdeckern und weitsichtigen Kaufleuten berichtet worden.

Wenig ist aber dabei derer gedacht, die durch immer genauere Instrumente diese Leistungen erst ermöglicht, und damit den Verlust von Menschenleben verhindert und materielle Werte erhalten haben.

Ich möchte durch diese Arbeit einiges von dem in Erinnerung rufen, was Uhrmacher durch ihre stille Arbeit am Werktisch geleistet haben, indem sie von ihren Chronometern immer mehr an Genauigkeit und Präzision abverlangten, und damit den Ruf der Wempe Chronometerwerke in Hamburg begründeten und ausbauten. Einige Namen konnte ich aus der Vergessenheit hervorholen. Mögen sie stellvertretend für viele andere stehen.

Die Wempe Chronometerwerke G.m.b.H., Hamburg, sind heute ein Tochterunternehmen der Gerhard D. Wempe K.G., deren alleiniger Komplementär Hellmut Wempe ist.

Das Hamburger Traditionsunternehmen Juwelier Wempe besteht seit 1878 und hat in Deutschland und in einigen Städten des Auslands zahlreiche Niederlassungen. Das Unternehmen hat sieh der Pflege der Uhrmacherkunst und des Goldschmiedehandwerks verschrieben. Leitlinie ist der Anspruch auf höchste und umfassende Qualität. Dieser Anspruch schlägt sieh unter anderem in der Kreation von selbständigen Wempe-eigenen Uhrenlinien nieder.

Die Chronometerwerke und die Firma Gerhard D. Wempe können ihre Ursprünge aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts herleiten. Zum 100-jährigen Bestehen der Firma Wempe ist eine Chronik des Familienunternehmens als Buch erschienen: Rolf Italiaander, »Bei Wempe gehen die Uhren anders«.

Es lohnt sieh aber auch, die Ursprünge und die wechselvolle Geschichte der Chronometerwerke in Hamburg zu verfolgen.

Von der Erfindung des Chronometers zur Chronometerherstellung in Hamburg

Solange ein Schiff sich in Sichtweite von Landmarken befindet, genügen zur Bestimmung des Schiffsortes die Methoden der terrestrischen Navigation. Spätestens aber im Zeitalter der Länderentdeckungen im 15. Jahrhundert wurde das Problem der Bestimmung des Schiffsortes aus astronomischen Beobachtungen immer brennender. Die Bestimmung der geographischen Breite durch eine Höhenmessung des Polarsterns, etwa mit dem Jakobsstab, war schon lange bekannt und wurde auch genutzt.

Im Gegensatz dazu bereitete die Bestimmung der geographischen Länge im 16. und 17. Jahrhundert große Schwierigkeiten. In einem niederdeutschen Lehrbuch der Navigation von 1655 wird das Problem so beschrieben:

»Udt wäre wol tho wünschen, dat man de longitudo, ok döreh solche Gewißheit hebben möchte, als de latitudo. Denn wenn man de Längde so korrekt könnte hebben als de Brede, so wäre de Kunst der Seevaert vollenkommen «

Theoretisch war das Längenproblem schon 1553 gelöst, als Gemma Frisius die Verwendung von tragbaren Uhren vorschlug, um die geographische Länge zu bestimmen. Aber erst John Harrison (1693-1762) baute in jahrzehntelanger Arbeit das erste brauch-bare Seechronometer und erhielt den von der englischen Regierung ausgesetzten Geldpreis. Nur wenig später bauten unabhängig voneinander Pierre Le Roy und Ferdinand Bertoud aus Paris Schiffschronometer, die schon alle wesentlichen Merkmale moderner Instrumente besaßen: Chronometerhemmung, Kompensationsunruh und kardanische Aufhängung.

Am Ende des 18. Jahrhunderts konnte sieh in England dank ausgereifter Konstruktionen und kostengünstiger Fertigungsverfahren eine fast konkurrenzlose Chronometerfertigung etablieren.

Sie versorgte nicht nur die englische Handelsflotte und Marine, die inzwischen zur größten der Welt heranwuchs, mit ihren Instrumenten, sondern beherrschte auch den internationalen Markt.

Es ist der dänischen Regierung unter Friedrich VI. zu verdanken, dass sich 1821 Johann Hinrich Kessels in Altona niederließ. Er hat wie kein anderer die Chronometer-Entwicklung in Deutschland beeinflusst, besonders aber den Raum Altona-Hamburg. Chronometer und Präzisionspendeluhren von Kessels waren bald in den meisten europäischen Sternwarten und Observatorien zu finden und begründeten sein hohes Ansehen. Kessels korrespondierte mit den bedeutendsten Uhrmachern seiner Zeit: L.-A. Breguet und U. Jürgensen, aber auch mit Mathematikern und Astronomen über Probleme der Zeitmesstechnik. Als er 1849 starb, übernahm Moritz Krille das Geschäft und einige Jahre später Theodor Knoblich. Besonders Knoblich hat durch seine Zusammenarbeit mit der Hamburger Sternwarte die wissenschaftliche Zeitmesstechnik gefördert.

Die Situation der Chronometerherstellung in Hamburg im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts

Anders als in England waren in Deutschland die Absatzmöglichkeiten für Schiffschronometer bis in die 60-er Jahre des 19. Jahrhunderts nicht besonders gut. Staatliche Förderungen wie zum Beispiel in England oder Dänemark gab es hier nicht. Die deutsche Schiffstonnage war noch 1835 kaum mehr als ein Zehntel der englischen. Viele Schiffe ließen die Hamburger Reeder in England bauen und auch mit englischen Chronometern ausrüsten. Das änderte sieh erst im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Überseeschifffahrt von Bremen und Hamburg immer mehr an Bedeutung gewann. Gerade das Auswanderergeschäft nach Amerika scheint ganz lukrativ gewesen zu sein. Nach der Reichsgründung zeigte die deutsche Reichsregierung ein verstärktes Interesse an der Seeschifffahrt.

1875 wurde die Deutsche Seewarte in Hamburg gegründet. Zu den Aufgaben, die der Deutschen Seewarte von der Kaiserlichen Admiralität zugewiesen wurden, gehörte ab 1877 die Veranstaltung von jährlich stattfindenden Chronometer-Wettbewerben. Es war das erklärte Ziel, eine vom Ausland unabhängige Chronometerherstellung zu schaffen. Darum wurden immer mehr Zulieferteile aus dem Ausland ausgeschlossen. Die geprüften Chronometer wurden in Klassen (bis 1918) eingeteilt. Der besondere Anreiz zum Beschicken der Wettbewerbe lag aber auch darin, dass erhebliche Geldpreise für gute Gangergebnisse gegeben wurden und Aufkäufe guter Instrumente durch den Staat erfolgten. An den von 1877-1917 abgehaltenen Wettbewerben haben sieh 43 deutsche Chronometerhersteller beteiligt, davon waren allein zwölf aus Hamburg und Altona. Von diesen gehörten Wilhelm Bröcking, Adolf Kittel, Theodor Knoblich und die Chronometerwerke Hamburg, ab 1905, zu den Firmen, die über längere Zeit und mit einer größeren Anzahl von Preisen an diesen Prüfungen teilgenommen haben. Neben der Chronometerherstellung betätigten diese Firmen sieh auch auf anderen Gebieten der Präzisionszeitmessung.

Die Herstellung dieser Uhren war eine rein handwerkliche. Selten waren die Produktionszahlen höher als 30 Chronometer pro Jahr. Das große Ziel der Chronometermacher war es, durch eine gute Regulierung bei unterschiedlichen Temperaturverhältnissen gute Gangergebnisse zu erzielen. Das ganze 19. Jahrhundert war bei den Chronometermachern bestimmt durch Versuche, den so genannten sekundären Kompensationsfehler zu minimieren. Ferdinand Dencker gehörte auch zu den Chronometermachern, die sich sehr mit diesem Problem beschäftigt haben.

Er hat sieh bereit 1866 in Hamburg als Chronometermacher niedergelassen und ist in den 70-er Jahren ein Kompaniegeschäft mit dem berühmten Theodor Knoblich ein gegangen, von dem er sich dann aber wieder getrennt hat. Auf der Gewerbeausstellung in Berlin stellte Dencker sowohl verschiedene Marinechronometer aus als auch das Modell einer von ihm erfundenen Sekundär-Kompensationseinrichtung. Ein »sauber angefertigtes Ankergangmodell mit großer Unruh von etwa 15 cm dient zur Veranschaulichung einer ebenso einfachen wie sinnreichen Art von Kompensation. Auf derselben Ausstellung zeigte Dencker auch seine Sekundenpendeluhren, wie er sie für verschiedene Sternwarten lieferte, u. a. Mit freier Hemmung und ‘im Vakuum gehend, ohne Räderwerk und ohne Öl’. Dencker wurde mehrfach als Sachverständiger an die Deutsche Seewarte berufen und war Mitglied in der Vereinigung für Chronometrie, die sich die »Hebung der deutschen Chronometerfabrikation« zur Aufgabe gemacht hatte.

An den Wettbewerbsprüfungen der Deutschen Seewarte nahm er von 1903 bis 1905 teil. Von den 24 eingesandten Instrumenten erreichten 18 die Klasse 1, der Rest die Klasse II. Das letzte Chronometer trug die Nummer 298. Die Chronometerwerke beginnen ihre Nummerierung mit Nr. 300; d.h., die Nummerierung wird konsequent weitergeführt!

Unter diesem Namen firmierten die Chronometerwerke nach ihrer Gründung im Jahre 1905. Es war sicher das Ziel der deutschen Reeder, in Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Ferdinand Dencker eine Fabrikation von Chronometern aufzubauen. Sie wollten durch die höheren Stückzahlen günstigere Herstellung und niedrigere Kosten erzielen. Auch eine schnellere und preiswerte Reparatur ihrer Instrumente hatten sie damit beabsichtigt.

Das Gründungskapital betrug 100.000 Mark. Zuerst war Ferdinand Dencker auch Geschäftsführer der Chronometerwerke, aber bald folgte ihm Ernst William Meier. Der Geschäftsführer der Chronometerwerke war der verantwortliche Regleur, jedenfalls bis etwa 1940. W. Meier hat wie kein anderer die Chronometerwerke geprägt. Er war bis zu seinem Tod im Jahre 1929 Geschäftsführer.

In den Hamburger Nachrichten vom 18. Dezember 1906 wird über die Chronometerwerke wie folgt berichtet: »Die in der Neuen Gröninger Straße 22-24 errichtete Werkstatt ist maschinell aufs Beste eingerichtet und soll durch weitere Spezialmaschinen, die man in der eigenen Werkzeugabteilung herstellt, noch leistungsfähiger gemacht werden. Das Messing legiert die Werkstatt selbst, ebenso wird dort Nickelstahl umgeschmolzen und die Unruhreifen werden dort aus Stahl und Messing zusammengeschweißt…

Neben Schiffschronometern will die Gesellschaft auch Schiffsuhren einfacherer Art herstellen. Die jährliche Produktion wird auf 240 Chronometer und 500 Schiffsuhren angegeben. Die Regulierung soll durchweg in einem Monat vollendet werden.

Die dort angegebenen Produktionszahlen mögen eine Zielvorstellung des Unternehmens gewesen sein. Sie wurden aber bei weitem nicht erreicht. So wurden bis zum Ersten Weltkrieg jährlich ungefähr 50 bis 60 Chronometer produziert. Im Krieg stieg die Produktion auf ca. 150, um nach dem Krieg wieder rapide abzufallen.

Es wurden bis in die 30er Jahre meist nur noch unter 10 neue Chronometer jährlich gebaut, die Hauptarbeit lag in dieser Zeit in der Reparatur und Wartung von Schiffschronometern.

Die Chronometerwerke, später Wempe Chronometerwerke, haben die Wettbewerbsprüfungen der Deutschen Seewarte von 1908/09 bis 1938/39 beschickt. Insgesamt wurden von den knapp 1000 in dieser Zeit hergestellten Instrumenten 402 Instrumente geprüft. Darum ist eine relativ genaue Zuordnung von Chronometer-Nummer und Prüfjahr möglich.

Aus den vollständig ausgewerteten Unterlagen der Deutschen Seewarte soll hier nur ein Auszug wiedergegeben werden.

Die Instrumente der Chronometerwerke haben in der Regel den Wettbewerb in der ersten, seltener in der zweiten Klasse bestritten. 32 Geldpreise gingen in dieser Zeit an die Firma, was besonders attraktiv war, weil dann zusätzlich zum Kaufpreis noch eine Prämie von 1200 bis 700 Mark kam.

Übernahme der Chronometerwerke durch Wempe, Motivation und Auswirkungen

Als Herbert Wempe am 1. Januar 1938 die Chronometerwerke übernahm, war sein vordergründiges Interesse, eine gute handwerkliche Ausbildung von Uhrmachern zu schaffen. Bei der Reparatur und Herstellung von Präzisionsuhren, wie es die Schiffschronometer sind, werden besondere Qualifikationen gefördert, die auch bei der Wartung anderer hochwertiger Uhren von Bedeutung sind. Von den vielen Uhrmachern, die durch die Chronometerwerke Hamburg gegangen sind, seien hier nur Walter Prell und Alfred Hellwig erwähnt. Beide haben sieh nachher in Glashütte einen großen Namen gemacht. Walter Charles Heinrich Möller, der von 1929 bis 1937 die Firma leitete, machte sich später selbständig und übernahm dann den Betrieb Theodor Knoblich.

In der entscheidenden Übergangsphase von den Chronometerwerken zu Wempe war Friedrich Leutert Betriebsleiter. Friedrich Leutert hatte bei Möller gelernt, ging später nach Glashütte, baute dort unter Hellwig in den Jahren 1931/32 ein fliegendes Minutentourbillon. Kurzzeitig war er auch Lehrbeistand an der dortigen Deutschen Uhrmacherschule in Glashütte. So besaß Leutert die besten Voraussetzungen, um die Ideen Herbert Wempes nach guter Uhrmacher-Ausbildung zu verwirklichen. Bald fand man die Lehrlinge von Wempe auf den ersten Plätzen bei den Leistungswettbewerben. 1941 belegten zwei seiner Lehrlinge die beiden ersten Plätze im Wettbewerb des dritten Lehrjahres.

Im Handwerker-Wettbewerb 1939 wurde unter Friedrich Leutert ein Chronometer mit kleineren Abmessungen konstruiert und hergestellt. Es wurde als »Reichssiegerarbeit« mit Urkunde und Plakette ausgezeichnet. Diese Arbeit war eine Gemeinschaftsarbeit der Chronometerwerke, an der folgende Uhrmacher beteiligt waren: Leutert, Kirsch, Zöllner, Wilstorfer, Hampel, Wernicke, Weniger, Peters, Neumann, Cummerow, Steinbeck.

Am Handwerker-Wettkampf 1939 hat ebenfalls Uhrmachermeister Drieselmann von Gerhard D. Wempe mit einem 1-Minuten-Tourbillon erfolgreich teilgenommen.

Das Bestreben Herbert Wempes, eine qualifizierte handwerkliche Ausbildung zu fördern, scheint damit auch öffentliche Anerkennung gefunden zu haben.

Leutert verließ 1942 die Firma Wempe und baute ein eigenes Unternehmen in der Nähe Hamburgs auf.

Die Firma Gerhard D. Wempe wurde bereits 1937 als NS-Musterbetrieb ausgezeichnet. Von der nationalsozialistischen Partei versprach sich das Handwerk insgesamt eine Förderung durch öffentliche Aufträge, Beseitigung unerwünschter Konkurrenz und Bekämpfung der Schwarzarbeit. Herbert Wempes soziale Aktivitäten und seine Förderung der Uhrmacherausbildung entsprachen durchaus den Grundsätzen der DAF für Musterbetriebe.

Entwicklung des Einheitschronometers und die Kriegsproduktion

Während des Krieges wurden die Chronometerwerke Rüstungsbetrieb mit den entsprechenden Eingriffsmöglichkeiten durch das Reichs-Luftfahrtministerium und das Oberkommando der Kriegsmarine. Die beiden Reichsbehörden waren an einem Ausbau der Chronometerwerke interessiert.

Von ihnen kam auch die Forderung nach Entwicklung und Bau des Einheits-Chronometers: »Es ist eine weitgehende Normung im Chronometerbau durchzuführen, die eine wesentliche Vereinfachung im Rohwerk und Vollendungsbau und damit auch eine Verbilligung der Instrumente zur Folge haben würde. Nur in dieser zu fordernden Verbilligung liegt die Möglichkeit, das deutsche Chronometer auf dem internationalen Markt erstmalig konkurrenzfähig zu machen oder bei genügender Preissenkung und gleichbleibender Leistung sämtlichen ausländischen Fabrikaten in jeder Beziehung überlegen herzustellen.«

Dieses Einheits-Chronometer sollte von den beiden deutschen Chronometerherstellern A. Lange und Söhne Glashütte und den Wempe-Chronometerwerken gemeinsam gefertigt werden. Von Wempe haben an der Entwicklung mehrere Mitarbeiter gearbeitet, besonders Herbert Müller und John Schwarzer. Augenfällig beim Einheitschronometer ist die Verwendung von drei statt vier Werkpfeilern, die Realisierung einer alten Erkenntnis der Mechanik, dass die Auflage auf drei Punkten die sicherste Lagerung ergibt.

Bereits 1942 wurde das Einheitschronometer von Wempe gefertigt. Es beginnt mit seiner Nummerierung bei der Nr. 2800. Die höchste Nummer des Vorgängermodells endet bei 2781 im Jahre 1942.

Bis zur Zerstörung durch Bomben im Jahre 1943 konnte die Chronometerproduktion auf fast 900 Stück pro Jahr gesteigert werden.

Außer Marinechronometern entstanden Bildgeräteuhren, Beobachtungsuhren, U-Boot-Chronometer, Sauerstoff-Höhenatmer und Sauerstoff-Höhenanzeiger im Auftrage von Luftwaffe und Kriegsmarine.

Nach der Zerstörung konnte die Produktion unter großen Schwierigkeiten in mehreren provisorischen Betrieben in Poppenbüttel und Wellingsbüttel in der Nähe Hamburgs wiederaufgenommen werden. Die Mitarbeiterzahl stieg auf über 200, darunter auch zahlreiche russische Kriegsgefangene.

Mehrere Mitarbeiter aus dieser Zeit haben sieh nach dem Krieg in der deutschen Uhrmacherei einen Namen gemacht, so Georg Rögner, später Telefonbau & Normalzeit, und Dr. Witthöft im Zentralverband der Uhrmacher.

Werknummern der Wempe-Chronometer

Die folgende Zuordnung von Chronometer-Nummern und Herstelljahren ist ab 1966 lückenlos und zuverlässig. Die vorhergehenden Jahrgänge sind aus unvollständig vorhandenen Gangbögen zusammengestellt. Es ist immer die höchste in diesem Jahr aufgefundene Nummer aufgeführt. Besonders schwierig ist die Zuordnung am Ende der 40er Jahre, weil vermutlich aus dem vorhandenen Bestand an vorgefertigten Chronometern der Kriegsproduktion, ohne Beachtung fortlaufender Nummerierung, verkauft wurde.

In den Jahren 1962-1967 wurden Batterie-Chronometer gefertigt, und zwar mit den Nummern 7361-7380 und 9021-9101. Quarzchronometer werden seit 1969 gebaut, beginnend mit der Nr. 12001. Heute liegt die Nummerierung bei etwa 15500.

Situation der Chronometerfertigung bei Wempe nach dem 2. Weltkrieg

Unter einem von der Militärregierung eingesetzten Treuhänder wurden die Chronometerwerke bis 1949 weitergeführt. Es scheint, aß in dieser Zeit aus dem Bestand von fertigen und fast fertigen Chronometern eine nennenswerte Anzahl ausgeliefert wurde. Größere Bestände gingen an andere Firmen, wie z.B. Hanseatische Werkstätten Friedrichs & Co., die noch nach dem Krieg einige hundert Einheitschronometer lieferten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die sowjetische Besatzungsmacht bei Lange & Söhne in Glashütte Konstruktionsunterlagen des Einheitschronometers samt Maschinen, Vorrichtungen und Material beschlagnahmte. Mit diesem »Technologie-Transfer« wurde dann bald in Moskau eine Fertigung des Einheitschronometers aufgebaut, die bis in die letzte Zeit dort noch bestand. In Glashütte wurde dagegen im VEB Uhrenkombinat mit dem Kaliber 100 eine Konstruktion aufgenommen, die an das traditionelle Glashütter Modell erinnert.

In Hamburg beginnt der eigentliche Aufbau der Chronometerfertigung erst nach 1950. Wichtige Mitarbeiter in dieser Aufbauphase waren der Betriebsleiter Herbert Müller, der auch die Weiterentwicklung des Chronometers vorantrieb, Walter Kirsch und Karl Hampel als Chronometermacher und Regleure. Walter Kirsch war 27 Jahre in dieser Tätigkeit und Karl Hampel 40 Jahre. Er hat vermutlich die meisten der bei Wempe hergestellten Chronometer reguliert.

Die Produktionszahlen steigen bald (1955) auf über 300 pro Jahr. Wechselhaft, wie die deutsche Seeschifffahrt, sind dann die Produktionszahlen. Sie gehen Anfang der 60-er Jahre auf 100 zurück, um dann wieder anzusteigen. 1970 werden immer weniger mechanische Chronometer zugunsten der Quarz-Chronometer gekauft. Die beiden letzten Serien aus den Jahren 1980/81 und ab 1989 stellen weniger Produkte für die Schifffahrt, sondern eher Liebhaberstücke dar.

Wie seit seiner Gründung 1905 liegt das Hauptbetätigungsfeld der Wempe-Chronometerwerke in Bau und Lieferung von Uhren und Uhrenanlagen für die Schifffahrt. Das »maritime Programm« umfasst neben Marinechronometern und Schiffsuhrenanlagen Schiffsuhren, Funkuhren, Glasenuhren, Barometer, Barographen, Thermometer und Hygrometer. In Zusammenarbeit mit der Firma Kundo, St. Georgen, hat Wempe seit 1988 den Produktbereich »Schatz 1881« übernommen und vertreibt damit den maritimen Uhrenbereich der ehemaligen Firma Schatz auf dem internationalen Markt.

Nostalgie oder Herausforderung

Was hat Hellmut Wempe bewogen, die Herstellung mechanischer Schiffschronometer im Jahre 1989 wieder aufzunehmen?

Mechanische Chronometer sind wohl der Endpunkt und Höhepunkt der technologischen Entwicklung tragbarer mechanischer Uhren. Als Sammelobjekt sind diese Uhren interessant wegen ihrer besonders hohen Ganggenauigkeit und der Erinnerung an die große Verantwortung, die diese Instrumente für die Sicherheit von Menschen und Schiffen auf See hatten.

Es gibt viele Menschen, die sich an der Schönheit der Technik und der faszinierenden Präzision dieser Wunderwerke der Uhrmacherkunst begeistern können.

Im normalen Uhrmacheralltag hat die Quarztechnologie die Mechanik immer mehr verdrängt. Viele Techniken der alten Uhrmacher geraten in Vergessenheit. Gerade im Chronometerbau gibt es wenig, was schriftlich überliefert wurde. Darum gehört schon ein wenig unternehmerischer Mut dazu, an die alte Tradition anzuknüpfen und mechanische Chronometer zu bauen. Wempe hat diese Herausforderung angenommen und gehört damit weltweit zu den ganz wenigen, die noch in der Lage sind, diese Uhren zu bauen. Glücklicherweise ist mit Lothar Beuke noch ein Mitarbeiter in den Chronometerwerken, der jetzt seine Erfahrungen anwenden und an jüngere Mitarbeiter weitergeben kann.

Ähnlich wie sein Vater Herbert Wempe sieht Hellmut Wempe in dieser Herausforderung aber auch eine Möglichkeit der Qualifizierung seiner Mitarbeiter.

Der Anteil der Mechanik bei hochwertigen Uhren wird größer. Für die Zukunft muss ein Mangel an Fachkräften prognostiziert werden, an Uhrmachern, die in der Lage sind, hochwertige Uhrenmechaniken zu warten.

Anmerkungen:

1 Italiaander; Rolf; Bei Wempe gehen die Uhren anders, Hamburg 1978
2 Feiesleben, Hans-Christian. Geschichte der Navigation. Wiesbaden 1978, zitiert auf 5.81 Tangermann, J. Wechwyser tho de Kunst der     Seevaerdt. Hamburg 1655
3 Allgemeines Journal der Uhrmacherkunst, verschiedene Ausgaben vor 1900
4 Gründungsprotokoll der Chronometerwerke G.m.b.H.
5 Hamburger Nachrichten, zitiert in Leipziger Uhrmacher-Zeitung, 1907, Nr. 1, S.13
6 Die Computerauswertungen aller bei der Deutschen Seewarte ausgeführten Prüfungen wurden dem Autor freundlicherweise von Herrn Besser zur Verfügung gestellt. Ihm sei auch an dieser Stelle für seine Arbeit gedankt. Interessenten können sich wenden an: H. Besser, Hochfeld 28, 2000 Hamburg 52
7 Schreiben des Präsidenten der Deutschen Seewarte vom 7.2.1941