Streifzug durch die
Geschichte der Sanduhren
Von Lothar Hasselmeyer, Dresden Mitglied der DGC
Ein von vielen Freunden der alten Uhren nur am Rande beachteter Zeitmesser ist die Sanduhr. Mit den folgenden Betrachtungen möchte ich versuchen die Sanduhr in das ihr gebührende Licht zu rücken und somit das Interesse der Sammler und Liebhaber alter Uhren für diesen Zeitmesser zu wecken. Betrachtet man die Geschichte dieses Instrumentes von der Entstehung bis in die Gegenwart hinein begegnen wir einer überraschenden Vielfalt. Neben der Entwicklungsgeschichte sind die verschiedenen Konstruktionen, Einsatzgebiete und die Hersteller zu betrachten.
Geschichtliches
Wie auch bei der mechanischen Uhr sind Ort und Zeitpunkt der Erfindung der Sanduhr unbekannt. Lange Zeit ging man davon aus, daß sie, wie auch die Sonnen- und Wasseruhr, schon in der Antike bekannt gewesen sei. P. Firlan Kindler führt die Sanduhr in seinem Buch über die Uhren auf die Antike zurück. Als Beleg bringt er ein griechisches Basrelief aus dem 3.Jahrhundert v.Chr. welches in eine Wand des römischen Mattai- Palastes eingemauert ist. Das Relief stellt die Hochzeit des Peleus und der Thetis dar. Unter anderen Figuren sieht man auch Morpheus der sich auf eine Sanduhr stützt. Von Carl Robert, einem Spezialisten antiker Sarkophagreliefs, ist jedoch 1904 festgestellt worden, daß es sich bei diesem Teil des Reliefs um eine Restaurierung aus dem 17.Jahrhundert handelt. Hinweise in der Literatur nach denen schon der griechische Gelehrte Archimedes 200 vor Christi eine Sanduhr besessen haben soll, stammen von Schriftstellern des 16. bis 19. Jh. Eine Quelle dieser Informationen wird nicht genannt. In der Literatur taucht als Erfinder der Sanduhr immer wieder der Mönch Luitiprand aus Chatres aus dem 9. Jh. auf (dieser hatte sich auf dem Gebiet der Glasherstellung hervor getan). Aber auch hier bleibt man den Beweis schuldig. Im Jahre 1665 veröffentlichte der italienische Schriftsteller Martinelli eine Abhandlung über die Sanduhr und bezeichnet diese als etwas ganz Neues. Der Ausschnitt aus einem Fresko von Ambrosio Lorenzetti in Siena aus dem Jahre 1338 zeigt sehr gut eine Sanduhr mit allen Details. Es ist die älteste bekannte Darstellung. Die antike Literatur erwähnt die Sanduhr nicht, es gibt auch keine Darstellungen aus dem Altertum. Die ersten Hinweise stammen aus dem 14. Jahrhundert. In diese Zeit muß die Erfindung fallen. Somit ist die Sanduhr erst nach der mechanischen Uhr erfunden worden. Die Sanduhr war in ihrer Herstellung relativ einfach und ohne mathematische Kenntnisse oder Berechnungen von jedermann zu handhaben. Komplizierte Angaben wie bei den Sonnenuhren oder frühen astronomischen Uhren entfielen. Dies war sicherlich einer der Hauptgründe für ihre schnelle Verbreitung. Dem Inventar- Verzeichnis Karls des V. von 1379 ist zu entnehmen, daß er drei Uhren und eine Sanduhr besaß. In einem Wirtschaftsbuch aus dem Jahre 1393 hat ein Pariser Bürger die Art und Weise, wie der Sand für die Sanduhr zu bereiten ist, ausführlich dargelegt. Die Sanduhr kannte man zu dieser Zeit in Frankreich also schon lang genug, daß sie bereits einen festen Platz im Leben der Menschen innehatte. Laut Professor Schinzinger kam die Sanduhr im 14. Jahrhundert durch europäische Mönche nach China. Auch unter den arabischen Uhren befindet sich die Sanduhr, die von den arabischen Schriftstellern wieder und wieder erwähnt wird. 1536 erschien eine eigene Abhandlung darüber, wie die Einschnürung der Sanduhr herzustellen sei und 1585 schreibt Taqi al Din: “Die Sanduhren sind allgemein bekannt und in jedermanns Hand.” Die Urheimat der arabischen Sanduhr ist uns heute unbekannt.
Gestaltung der Sanduhren
Von den ersten Sanduhren sind leider keine Exemplare erhalten geblieben. Aus der Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert gibt es zum Teil recht gut erhaltenen Stücke in vielen Kirchen und Museen zu bewundern. Betrachten wir die verschiedenen Arten von Sanduhren sehen wir eine große künstlerische und technische Vielfalt. Die Reisesanduhr des Erasmus von Rotterdam, wird im Verzeichnis der Ambachschen Sammlungen von 1662 wie folgt erwähnt: “Erasmi bleyern SandÜhrlein von Ebenholz in einem Futter.” Die Bemühungen mittels der Sanduhr die Zeit genauer messen zu können, wird bei den Sanduhren mit mehrfach verengten Glaskolben zur Unterteilung der Stunden in kleinere Abschnitte deutlich. Es wird die Zeitablesung durch die Gestaltung des einen viergeteilten Glaskolbens in viertel Stunden Einteilung möglich. Um eine Unterteilung der gemessenen Zeit besser zu erreichen, bediente man sich oft einer Zusammenstellung von Sanduhrgläsern mit verschiedenen Laufzeiten. Gestelle mit zwei Gläsern, in denen das eine Glas eine halbe und das andere Glas eine ganze Stunde liefen kamen zum Einsatz. Auch dreigläsrige Sanduhren wurden gefertigt, diese sind jedoch sehr selten. Leider ist mir nicht bekannt welche Zeiteinteilung bei diesen Gläsern benutzt wurde. Eine weitere Art von Sanduhrzusammenstellungen sind die viergläsrigen Sanduhren. In diesen läuft das erste Glas eine viertel, das zweite eine halbe, das dritte eine dreiviertel und das vierte Glas eine volle Stunde. Man kann somit nach dem Umwenden der Sanduhr den Verlauf einer Stunde in Viertelstundeneinteilung beobachten. Aber es gibt auch sehr seltene Sanduhren mit fünf Gläserpaaren. Hier sind die Laufzeiten wie bei der viergläsrigen Sanduhr – das fünfte Glas jedoch hat eine Laufzeit von 7,5 Minuten. Weshalb man sich die Mühe machte eine Viertelstunde noch einmal zu unterteilen, ist bisher ungeklärt. Einmalige Exemplare mit sechs Gläsern (in Leipzig) und sogar mit acht Gläsern (in Kassel) sind erhalten geblieben. Viele dieser Sanduhrzusammenstellungen haben ein einzeigeriges Zifferblatt. Beim Wenden des Gläsergestelles wird über einen hölzernen Schalthebel, ein Stoffband oder über ein Zahnradgetriebe der Zeiger um eine Stunde weiter gerückt. Die Zeitmessung über einen längeren Zeitabschnitt war also durchaus möglich.
Einsatzgebiete der Sanduhren
Vielfältig ist das Einsatzgebiet der Sanduhren. Im Folgenden sollen die Bekanntesten genannt werden.
– Olivier de la Marche beschreibt in seinen Erinnerungen ein Turnier, das man 1468 am Hofe Karls des Kühnen anläßlich der Hochzeit des Herzogs von York veranstaltete. Die Dauer der einzelnen Kämpfe maß ein Zwerg mit einer Sanduhr ab.
– 1662 wurde das Monopol für mietbare Fackeln durch einen Pariser Parlamentsbeschluß dem Abbé Laudati Caraffe erteilt, der seine Träger mit Viertelstundengläsern ausrüstete. In den Großstätten des 16. und 17. Jahrhunderts führten die Sänften- und Laternenträger Sanduhren am Gürtel mit, nach dessen Ablauf sie den Preis für ihre Dienste berechneten.
– Ein Brief, den Boswell am 22. Oktober 1779 an Samuel Johnson schrieb, deutet darauf hin, daß man hin und wieder Gespräche und Anstandsbesuche nach der Sanduhr bemessen hat.
– Große Bedeutung erfuhr die viergläsrige Sanduhr beim Einsatz auf den Kanzeln in der Kirche. Es kam immer wieder zu Problemen mit redefreudigen Geistlichen, welche die Predigt zu lang ausdehnten. Dadurch fehlten dem Landadel und den Grundbesitzern die Bauern und Tagelöhner auf den Feldern worüber es häufig zu Klagen kam. Im Zuge der Reformation wurden dann in fast allen deutschen Ländern verbindliche Kirchenordnungen eingeführt. In einer Kirchen- und Schulordnung von 1565 heist es: “Die Morgend wie auch alle anderen Predigten sollen durchaus nicht über eine Stunde dauern, deshalb auf jeder Kanzel eine richtige Sanduhr angeschafft … die bei Betretung umgewendet werden soll.” Das eine Stunde Predigt jedoch mehr als lang genug sein kann zeigt nicht nur der Kupferstich mit dem Titel “Die schlafende Versammlung”. So gesteht die heilige Theresa von Avila (1535-1582) in einem Brief, daß sie mehr als einmal gewünscht hätte, den Fall des Sandes zu beschleunigen, der ihre Gebetszeit maß. Gern wird auch folgende kleine Anekdote zitiert: -Wie oft mögen Augen, die mit dem Einschlafen kämpften, durch den Anblick des sich zum Ende neigenden Vorrats erfrischt worden sein. Nur durfte kein freudiger Redner oben stehen wie jener gefürchtete, der gern gegen die Trunksucht predigte und, wenn er ins Feuer gekommen war, das Zeitglas wieder umzudrehen pflegte mit dem Spruche: “Ei, so lasset uns denn noch ein Gläslein genehmigen”.
– Ihre wohl größte Bedeutung erlangte die Sanduhr in der Seefahrt. Schon bald nach ihrer Erfindung kam sie auf See zum Einsatz. In den Schiffspapieren der “George” ist eine Quittung über zwölf “glass horloes” erhalten, welche 1345 in der flandrischen Hafenstadt Sluis gekauft wurden. Während der großen Entdeckungsfahrten richtete sich der Dienst auf den Segelschiffen nach Sanduhren. Die Borduhr wurde Glas genannt und lief eine halbe Stunde. Acht Glasen waren vier Stunden = eine Wache. Die halbe Stunde wurde mit einem einfachen, die vollen Stunden mit einem Doppelschlag an der Schiffsglocke angeschlagen. Acht Glasen -vier Doppelschläge- bedeuteten das Ende der Wache. Kolumbus führte eine Menge Halbstundengläser “ampolettas” genannt mit. In seinem Bordbuch notiert er unter dem 13. Dezember 1492, daß sich die Sanduhr von Sonne zu Sonne zwanzig mal entleerte, er maß also eine zehnstündige Nacht. Um 1600 zählte der Mathematiker Jon Dee zur Ausrüstung von Schiffen Sanduhren mit einer Laufzeit von einer halben, einer und drei Stunden. Gefechtsberichte über die Schiffstreffen sind bis zum 19. Jahrhundert von Sanduhrzeiten erfüllt. Das Gefecht auf Lake Champlain 1776 dauerte nach Arnolds in einem in der Geschichte der Royal Navy abgedrucktem Bericht “fünf Sanduhren”, also zwei und eine halbe Stunde lang. Der bekannte holländische Entdecker und Seefahrer Barents soll eine 12 Stunden Sanduhr auf seinen Seereisen mitgeführt haben. Es ist aber auch sehr interessant zu wissen, wie genau die Sanduhr ihren Dienst als Zeitmesser versah. 1703 wurde ein aus fünf Schiffen bestehendes französisches Geschwader vor Spitzbergen vom Nebel überrascht. Neun Tage lang war die Sonne nicht sichtbar, und so weit nördlich konnte man den Tag nicht von der Nacht unterscheiden. Zur Zeitmessung standen lediglich Sanduhren zur Verfügung. Als der Nebel sich zerstreute, stellte man fest, daß die mit Hilfe der Sanduhren gemessene Zeit um elf Stunden von der wahren Zeit abwich. Dies entspricht je umgewendeten Halbstundenglas einer Zeitdifferenz von 1 und 1/2 min. Durch das Schwanken des Schiffes litten offenbar die Sanduhren sehr in ihrer Ganggenauigkeit. Der Seefahrer Joáo de Castro ( ein Zeitgenosse von Kolumbus) versuchte für astronomische Beobachtungen eine Übereinstimmung von Sand- und Sonnenuhren zu erzielen, indem er einen Tisch so waagerecht wie möglich aufhängen ließ. Allerdings war der Erfolg gering, die der Sonnenuhr am nächsten kommende Sanduhr ging eine 1/4 Stunde vor. Eine französische Schiffssanduhr aus der Zeit um 1820 zeigt, daß dieser Zeitmesser, wenn auch mit untergeordneter Bedeutung, noch im 19. Jahrhundert zum Einsatz kam. Über einen Zeitraum von mehr als 400 Jahren ist die Sanduhr auf See benutzt worden. Das verdankt sie sicherlich nicht ihren guten Gangergebnissen. Die Gründe hierfür sind vor allem der günstige Preis im Verhältnis zum mechanischen Zeitmesser, die Wetterfestigkeit und die relativ geringe Störanfälligkeit.
– Zum Messen der Schiffsgeschwindigkeit leistete die Sanduhr ebenfalls lange Zeit unentbehrliche Dienste. In einem Reisejournal der Magellanschen Weltumsegelung wird die früheste Anwendung des Loggens niedergelegt, ohne jedoch die Hilfsmittel zu beschreiben. Erstmals wird das Logglas 1607 erwähnt. Es kamen Sanduhren mit einer Laufzeit von 14 oder auch 28 Sekunden zum Einsatz. Das Handlog besteht aus einem Logscheit, welches am Achterschiff ins Wasser geworfen wird. Es ist mit Blei beschwert, damit es aufrecht schwimmt und dem Wasserdruck ausgesetzt ist. An ihm ist die Logleine befestigt, deren anderes Ende auf der Logrolle aufgewickelt ist. Zwei Personen halten die Logrolle, eine dritte die Loguhr und läßt die Logleine durch seine andere Hand gleiten. Sobald die Nullmarke durch die Hand läuft, wird die Sanduhr umgedreht und nach 14 Sekunden die Logleine gestoppt. Auf der Logleine sind im Abstand von 14 Meridiantertien (etwa 7 Meter) Knoten angebracht. Ein Knoten entspricht einer Seemeile pro Stunde und ist noch heute das Maß für die Schiffsgeschwindigkeit.
– Die Sanduhr fand ihren Einsatz in vielen Bereichen der Öffentlichkeit und Wirtschaft. Der Gebrauch von Sanduhren zur Bemessung der Redezeit wird des Öfteren beschrieben. In der französischen Nationalversammlung von 1789 waren Sandgläser in Gebrauch. Während der Diskussion über die Menschenrechte herrschte eine solche Redefreudigkeit, daß ein Abgeordneter beantragte, die Laufdauer des Sandes auf fünf Minuten herabzusetzen. M.Engelmann berichtet 1925 über dieRedezeituhr des Breslauer Rathauses aus dem 17. Jh. in deren Mittelteil sich eine viergläsrige Sanduhr befindet. Im Gerichtssaal von Mons begleitete das Rieseln einer viergläsrigen Sanduhr noch 1850 die Plädoyers. Bis zum Jahre 1951 wurden im englischen Unterhaus die Abgeordneten zur Abstimmung durch eine Glocke zusammengerufen, die solange läutete, wie eine auf dem Tische des Präsidenten stehende Zweiminutensanduhr lief.
– Auch der Gebrauch beim Lehren und Studieren hat eine lange Tradition. Im Mercure Galant vom Oktober 1678 findet sich die Bemerkung: “Es gibt nur wenige Studierzimmer, wo die Sanduhr nicht in Gebrauch wäre.” Theodor Fontane sagt in “Frau Jenny Treibel” um den Respekt zu kennzeichnen, den ein Lehrer genoß: “Wenn er in die Klasse trat, so hörte man den Sand durch das Stundenglas fallen.” und Dr. Walter Künzel berichtet: Ich entsinne mich noch gut an die Sanduhr, die im badischen Referendar- Examen auf dem Tische stand, hinter dem die Prüfenden und vor dem die Kandidaten saßen. In sechs Abteilungen zu je zwanzig Minuten wurde geprüft. Es kam nicht selten vor, daß der Kandidat keine Antwort mehr zu geben brauchte, weil mit der Formulierung der Frage durch den Prüfenden auch das letzte Sandkorn in das untere Glas gefallen war. – In der Industrie hielt die Sanduhr schon frühzeitig ihren Einzug.Ein Stich dem Jahre 1548 zeigt einen Töpfermeister vor dem Ofen sitzend, neben ihm auf dem Hocker steht die Sanduhr mit der er die Brenndauer kontrolliert. Auch in Bereichen in denen Flüssigkeiten und Dämpfe auftraten war sie ein brauchbarer Zeitmesser. Darstellungen der Labororatorien der Alchimisten zeigen immer wieder die Sanduhr. Bis in unser Jahrhundert hinein wurden Sanduhren bei arbeiten eingesetzt bei denen Metall angegriffen wurde, wie zum Beispiel beim Abfüllen von Säuren.
– Mit der Erfindung des Telefons fand die Sanduhr ein weiteres Einsatzgebiet. Am Ende des 19. Jahrhunderts waren im Berliner Hauptfernsprechamt neunzig Sanduhren zum Messen der Dreiminutengespräche in Gebrauch.
– Wissenschaftliche Expeditionen bedienten sich ebenfalls der Sanduhr. Im Jahre 1660 wurde im Auftrage der Royal Society in London eine Forschungsreise auf den Pic von Teneriffa unternommen. Punkt vier der Aufgabenstellungen war: “Mit Hilfe einer Sanduhr erkunden ob eine Pendeluhr auf dem Gipfel langsamer oder schneller als unten geht.” 1877 wurde in Deutschland ein Botaniker- Systemstockes patentiert. Er beherbergt eine fünf- Minuten- Sanduhr.
– In der Medizin war die Dosierung von Heilbädern und Bestrahlungen mittels Sanduhr lange Zeit durchaus üblich. Heute noch oder besser wieder findet man in fast jeder Sauna diesen Temperatur- unempfindlichen Zeitmesser. Auch ist der Gebrauch als Hilfsmittel zur Pulsmessung nach wie vor aktuell. Das Bild links zeigt die zwei üblicherweise benutzten Typen. Die linke dieser beiden Pulsuhren stammt aus einem Hebammenkoffer aus dem Jahre 1936 und hat eine Laufzeit von 15 Sekunden. Die andere ist aus dem Jahre 1994, hat eine Laufdauer von 30 Sekunden und kann in fast jeder Apotheke gekauft werden. Diese bis hier genannten 12 verschiedenen Einsatzgebiete der Sanduhr haben eine nicht geringe Bedeutung. Das Einsatzgebiet, welches heute oftmals der Sanduhr den Namen Eieruhr einbringt, das Eierkochen – also der Einsatz in der Küche – soll hier nicht unerwähnt bleiben. Es gibt Küchensanduhren die auf drei, vier oder fünf Minuten einstellbar sind und nach Ablauf umkippen, wobei der Klöppel an eine Glocke schlägt. Sand- (Eier)uhren gibt es heute in vielen verschiedenen Ausführungen zu kaufen. Eine Durchsicht der englischen Patent- Literatur zeigt, daß es ca. 21 Patente für Sanduhren und Geräte, die nach dem Sanduhr- Prinzip arbeiten, gab. Viele von ihnen betreffen das Kochen von Eiern. Unabhängig der technischen Entwicklung blieb die Sanduhr in der Küche durch die Jahrhunderte hindurch in Gebrauch und sorgte so dafür, daß es nur wenige Menschen gibt, denen dieser Zeitmesser unbekannt ist.
Sanduhrmacher
Nachdem wir uns dem Gebrauch der Sanduhren gewidmet haben betrachten wir nun die Hersteller von Sanduhren. In den “Nachrichten von den vornehmsten Künstlern und Werkleuten, so innerhalb hundert Jahren in Nürnberg gelebt haben” von Johann Neudörffer die bis etwa 1550 reichen, werden Sanduhrmacher nicht aufgezählt. Bekannt ist das Wappen der Nürnberger Sanduhrmacher von 1574. Der Nürnberger Meisterkodex von 1649 weist den Sanduhrmacher Wolff Rech auf. 1698 erschienen in Regensburg Christoph Weigels “Abbildungen der Gemein- Nützlichen Haupt- Stände”. Er schreibt, daß die Wissenschaft die Sand- Uhren zu machen, lange Zeit frei geblieben sei. Seines Wissens werde sie nun in Nürnberg unter die gesperrten Handwerke gezählt. Als Prüfungsaufgaben für die Meisterprüfung wird die Anfertigung von vier verschiedenen Sanduhren angegeben: 1. eine kleine Uhr mit Blei – Sand 2. eine Uhr mit vier Gläsern, von weißem Sand, davon das erste die viertel, das andere die halbe, das dritte drei viertel, und das vierte die ganze Stunde andeutet 3. eine Uhr von dreien Stunden, ebenfalls mit weißem Sand gefüllt 4. eine Uhr von zweien Gläsern, deren eines mit der halben, das andere mit der ganzen Stund auszulauffen pfleget. Das einzige bekannte Bild eines Sanduhrmachers wurde in Nürnberg gemalt. Es stellt den fünfzigjährigen Sanduhrmacher Carl Schubart dar. Im Verzeichnis der Nürnberger Hausbesitzer von 1812 wird Wolfgang Tobias Stoer als letzter Sanduhrmacher aufgeführt. Wenn auch in bescheidenem Maße, so hat doch dieses Handwerk seine Meister über die Jahrhunderte ernährt. In einem 1797 erschienenen englischen Werk werden alte Kircheneinrichtungen beschrieben. Es findet sich die Angabe, daß im Jahre 1591 von der Kirche der Heiligen Helena in Abingdon für eine Kanzelsanduhr vier Pence verausgabt worden. Es ist eine der ersten englischen Kanzelsanduhren von der man Kenntnis hatte und eine der wenigen, von welcher der Preis bekannt ist. Wie aus einem Auftrag der Akademie der Marine in Frankreich an den Stadtvater von Dünkirchen aus dem Jahre 1780 hervorgeht, wurden 700 nicht befestigte Sanduhren mit einer halben und einer viertel Minute Laufdauer bestellt. Ein weiterer Auftrag 1799 über 100 Sanduhren mit einer halben Minute Laufdauer bestätigt den hohen Bedarf an Sanduhren. Im Jahr 1801 war in Nürnberg der Handel mit Sanduhren bedeutender als der mit Taschenuhren.
Sanduhren nicht nur ein Zeitsymbol
In der Gegenwart hat die Sanduhr als Zeitmesser zwar keine Bedeutung mehr, sie begegnet uns jedoch öfters als wir es bewußt wahrnehmen. Im Guiness- Buch der Rekorde finden wir die größte und die kleinste Sanduhr der Welt. Die kleinste Sanduhr mit einer Höhe von 2,4 cm und einer Laufzeit etwas weniger als 5 Sekunden wurde 1992 von Bernhard Möller einem Hamburger Mechaniker angefertigt. Die größte Sanduhr der Welt befindet sich im Sandmuseum in der japanischen Stadt Nima. Sie ist 6 Meter hoch und hat eine Laufdauer von einem Jahr. Das Glas dieser Sanduhr wurde übrigens bei Schott in Deutschland gefertigt. Eine noch größere Sanduhr in der Schweiz mit der Höhe von 6,20 Meter hat ihren Probelauf bereits bestanden. Kein anderer Zeitmesser hat die Sinnfälligkeit des Begriffes Zeit so erlangt wie die Sanduhr. Wir finden sie in allen Kunstgattungen quer durch die Jahrhunderte. Als Attribut des heiligen Hironymus, des Gottes der Zeit Chronos und des personifizierten Todes war sie vielen Künstlern ein wichtiges Mittel zur Gestaltung ihrer Kunstwerke. In der Malerei taucht die Sanduhr als Symbol der Vergänglichkeit immer wieder auf. Das Anhalten der Zeit wird oft durch ein auf die Seite gelegtes, der Tod durch ein zerbrochenes Stundenglas dargestellt. Bei den Bilderfolgen von Totentänzen und bei der Gestaltung von Grabmahlen ist die Sanduhr bis in die heutige Zeit immer wieder anzutreffen. In der Dichtung hat sich dieser Zeitmesser ebenso etabliert. Bei fast allen bekannten Dichtern finden sich entsprechende Zitate. Die vierte Strophe des Liedes “Hoch auf dem gelben Wagen”
dort beim Schwager vorn,
schwenkt statt der Peitsche die Hippe,
Stundenglas statt des Horns, …
zeigt wie tief die Sanduhr im Alltagsgebrauch der Menschen verwurzelt ist. Auch an den Uhren ist die Sanduhr in ihrer Symbolik nicht selten vertreten. Es handelt sich dabei oft um Darstellungen an Gehäusen und Zifferblättern von Pendulen, Stand- und Taschenuhren, oder auch in der Uhr auf den Spindelkloben, Platinen oder Pendellinsen. Auch auf den Zifferblättern von Sonnenuhren ist die Sanduhr zu finden. Ob es sich um Werbung handelt oder um ökologische Probleme, immer wieder wird die Sanduhr als Zeitsymbol herangezogen. Sogar in der Computerwelt hat sich die Sanduhr fest etabliert. Nicht nur bei Computerspielen, sondern auch bei Textverarbeitungen und Datenbanken und sogar als Aufforderung zum geduldigen Warten am Geldautomaten begegnet uns des öfteren die Sanduhr. Im Souvenirverkauf spielt die Sanduhr keine große Rolle, allerdings kann man bei einiger Aufmerksamkeit eine ganze Reihe verschiedener Modelle zu sehen bekommen. Von einfachen bis recht kostspieligen Exemplaren reicht das Angebot – Preise bis zu 300 DM sind dabei durchaus möglich. Aber wie auf diesem Bild zu sehen ist, kann man aus Hongkong sogar eine voll elektronische Sanduhr beziehen.
Dieser Streifzug durch die Geschichte der Sanduhr ist keineswegs vollständig und läßt noch so manche Frage offen. Die meisten Informationen sind aus den spärlichen zur Verfügung stehenden Literaturhinweisen zusammengetragen. Ich würde mich über jede Kritik und Anregung seitens der Leser dieser Veröffentlichung freuen um Informationslücken zu schließen und mögliche Fehler korrigieren zu können.
2. Sanduhr- Konstruktionen für 24 Stunden, KLAUS MAURICE, Uhren 2/92, S.32
3. Das Sanduhrenbuch, ERNST JÜNGER, Frankfurt/M. 1954, S. 151 – 250
4. Die Geschichte der Zeitmesskunst, CLAUDIUS SAUNIER, Ins Deutsche von Gustav Speckhart, Bautzen 1904
5. Die Uhren, P. FINTAN KINDLER, Köln 1905, S. 15 f.
6. Von den Zeitmessern des Altertums bis zur modernen Präzisionsuhr, CARL MARFELS, Neckargemünd 1925, S. 11
7. Über die Uhren im Bereich der islamischen Kultur, EILHARD WIEDEMANN, FRITZ HAUSER, Halle 1915, S. 3 f.
8. Zeitmessung und Uhren im Spiegel der Geschichte, MAX ENGELMANN, Halle 1925, S. 26 f.
9. Die Uhr, ANTON LÜBKE, Düsseldorf 1958, S. 85 f.
10. Alte Uhren, HANS WÜHR, Darmstadt, S. 7 f.
11. 200 Jahre Schwenninger Uhren 1765 – 1965, PETER KURZ, Schwenningen 1965, S. 49 f.
12. Uhren und Messinstrumente, SAMUEL GUYE, HENRI MICHEL, Zürich, S. 266 f.
13. Zeit und Kultur, RUDOLF WENDORFF, Westdeutscher Verlag, S. 189 f.
14. Uhren- Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, ERNST VON BASSERMANN- JORDAN, Berlin 1922, S. 106 f.
15. Heavenly Clockwork, JOSEPH NEEDHAM, WANG LING, DEREK J. DE SOLLA PRICE, Cambridge 1960
16. Uhren, SIMON FLEET, Frankfurt am Main, S. 19 f.
17. Die Geschichte der Stunde, GERHARD DOHRN- VAN ROSSUM, Carl Hanser Verlag, S.114 f.
18. Abbildungen der Gemein- Nützlichen Haupt- Stände, CHRISTOPH WEIGEL, Regensburg 1698, S. 405 – 408